Dienstag, 16. Dezember 2008

Friedrich Schiller: "Die Räuber"

Das Drama „Die Räuber“ wurde von Friedrich Schiller (1759-1805) zur Zeit des Sturm und Drang (1767-1885) verfasst und erschien erstmalig im Jahre 1781. Die Epoche des Sturm und Drang ist stark geprägt durch ein revolutionäres Gedankengut und eine kritischere Sicht der Gesellschaft und fand Anhang vor allem unter der jungen Bevölkerung. Der „Fetzenstil“ (kurze Sätze, viele Ausrufezeichen) ist ein wichtiges Merkmal der Literatur dieser Epoche.
Im Folgenden werde ich mich eingehend mit verschiedenen Thematiken des Werkes, wie der Tyrannei und dem Bild von der damaligen Gesellschaft beschäftigen, klären, inwiefern diese Kritik an Tyrannei und Gesellschaft noch aktuell ist und meinen persönlichen Eindruck bezüglich der oben genannten Themen schildern.

Das Bild von Franz, dem Tyrannen, wird sehr deutlich am Ende des ersten Aktes/erste Szene sichtbar. Franz führt hier einen langen Monolog, er spricht von Macht und Kraft. Seiner Ansicht nach hat der Stärkste die „Erlaubnis“ sich über jegliche Regeln, jede Moral hinwegsetzten. Er sagt: „Jeder hat gleiches Recht zum Größten und Kleinsten, Anspruch wird an Anspruch, Trieb an Trieb und Kraft an Kraft zernichtet. Das Recht wohnet beim Überwältiger, und die Schranken unserer Kraft sind unsere Gesetze.“ (S.17)
Er hält auch nichts von Bruderliebe oder Vaterliebe. Er nützt jede erdenkliche Chance um seinen großen Bruder Karl vor dem Vater Maximilian schlecht zu machen, was auch an dieser Textstelle gut zu erkennen ist: „Schändlicher, dreimal schändlicher Karl! Ahndete mirs nicht, da er, noch ein Knabe, den Mädels so nachschlenderte, mit den Gassenjungen und dem elendem Gesindel auf Wiesen und Bergen sich herumhetzte, den Anblick der Kirche, wie ein Missetäter das Gefängnis, floh, und die Pfennige, die er Euch abquälte, dem ersten dem besten Bettler in den Hut war, während daß wir daheim mit frommen Gebeten und heiligen Predigtbüchern uns erbauten?“ (S.11) Franz schreckt auch nicht vor Mord zurückt, zu groß ist sein Hass und Neid auf das „Schoßkind“ Karl. Getrieben von seinen Wahnvorstellungen, befiehlt er im vierten Akt/zweite Szene dem langjährigen Hausdiener Daniel den als Grafen verkleideten Karl umzubringen: „Bei deinem Gehorsam befehl ich dir, morgen darf der Graf nimmer unter den Lebendigen wandeln“. (S.95) Sein Tyrannendasein findet seinen Höhepunkt, als er nicht einmal davor zurück schreckt, seinen eigenen Vater verhungern zu lassen, oder als er versucht, Amalia mit allen Mitteln für sich zu gewinnen. Er meint, ihren Stolz brechen zu können indem er ihr droht, sie ihn ein Kloster zu stecken: „ Noch weiß ich Mittel, die den Stolz eines einbildischen Starrkopfs so hübsch niederbeugen können – Kloster und Mauren!“. (S.77) Doch er bemerkt, dass er nicht einmal damit ihren „Starrkopf“ für sich gewinnt, und seine letzte Drohung ist sie zu seiner Mätresse zu machen. „-meine Mätresse sollst du werden, daß die ehrlichen Bauernweiber mit Finger auf dich deuten, wenn du es wagst und über die Gasse gehst.“ (S.78)

In diesem Werk wird ein sehr negatives Bild von der gehobenen Gesellschaft entworfen. Alle positiven Charaktere sind niederen Standes oder wie Karl Revoluzzer oder „Ausbrecher“.
Karls Ansichten über das „schlappe Kastratenjahrhundert“ wie er es nennt, sind typische Weltansichten der Anhänger des Sturm und Drang. Er hält auch nicht viel von den damaligen Gesetzen: „Das Gesetz hat zum Schneckengang verdorben, was Adlerflug geworden wäre. Das Gesetz hat noch keinen großen Mann gebildet, aber die Freiheit brüchtet Kolosse und Extremitäten aus.“ (S.20) Der von Franz gefälschte Brief vom Vater an Karl ist der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt: Karl nimmt die von den Räubern vorgeschlagene Rolle als Räuberhauptmann in größter Ekstase an: „ –Räuber und Mörder! – So wahr meine Seele lebt, ich bin euer Hauptmann“! (S.32)
In Bezug auf Moral und Ehre vertritt er seine Ansichten von Gerechtigkeit, die Scheinheiligkeit, die schwarzen Schafe der Gesellschaft und auch die Taten der Kirche passen nicht in sein Weltbild: „Da donnern sie Sanftmut und Duldung aus ihren Wolken, und bringen dem Gott der Liebe Menschenopfer wie einem feuerarmigen Moloch – predigen Liebe des Nächsten, und fluchen den achtzigjährigen Blinden von ihren Türen hinweg; […] – Ich bin kein Dieb, der sich mit Schlaf und Mitternacht verschwört, und auf der Leiter groß und herrisch tut – was ich getan habe, wird ich ohne Zweifel einmal im Schuldbuch des Himmels lesen, aber mit seinen erbärmlichen Verwesern will ich kein Wort mehr verlieren. Sag ihnen, mein Handwerk ist Wiedervergeltung – Rache ist mein Gewerbe.
Um auf die positiven Charaktere des Werkes zurückzukommen, darf man keinesfalls Daniel, den frömmigen Hausdiener, vergessen. Seine hohe Achtung vor Gott und sein reines Gewissen hindern ihn daran, den Befehlen seines Herren Franz nachzukommen. Er bleibt standhaft: „ und Ihr wollt mir den letzten Trost rauben im Sterben, daß der Wurm des Gewissens mich um mein letztes Gebet bringe, daß ich ein Greuel vor Gott und Menschen schlafen gehen soll? Nein, nein, mein liebster, bester, liebster gnädiger Herr! Das wollt Ihr nicht, das könnt Ihr nicht wollen von einem einundsiebenzigjährigen Manne.“ (S.96)
Auch Amalia bleibt ihrem versprochenen Karl das ganze Stück über treu. Ihre moralischen Vorstellungen von Mann und Frau hindern sie daran, die Hoffnung auf Karl und ein „Happy-End“ zu verlieren. Als Karl sie jedoch im fünften Akt/zweite Szene auf Grund seines Schwurs gegenüber den Räubern verstößt, sieht sie keinen anderen Ausweg mehr, als sich ermorden zu lassen: „ –Tod ist meine bitte nur. – Verlassen, verlassen! Nimm es ganz in seiner entsetzlichen Fülle, verlassen! Ich kanns nicht überdulden. Du siehst ja, das kann kein Weib überdulden. Tod ist meine Bitte nur!“ (S.137)

Betrachtet man die Kritik an Tyrannei und Gesellschaft zur Zeit des Sturm und Drang im Kontext von heute, wird einem sehr schnell bewusst, dass diese durchaus berechtigt ist. Tyrannei ist immer noch aktuell, es wird immer Menschen geben, die sich aufgrund ihrer Macht und ihrer gesellschaftlichen Stellung über alle Gesetze hinwegsetzen können, sind sie selbst doch das Gesetz. In einigen Ländern der Welt sitzen derartige Tyrannen sogar auf dem Thron oder zumindest in der Regierung, und es ist nicht immer leicht, sich eines Tyrannen zu entledigen.
Auch Karls Feindbilder, nämlich bestechliche, scheinheilige und unehrliche Personen, die wissen, wie sie ihre Macht am besten nützen, gibt es immer noch. Es gibt immer noch Intrigen, bei denen aus falschen Freunden Feinde werden, wie im Buch im vierten Akt/fünfte Szene zu sehen ist. Spiegelberg, der von Anfang an böse Absichten gegenüber Karl gehegt hat, wird von Schweizer ermordet: „Ha, Bestie! Eben recht erinnerst du mich an die böhmischen Wälder! Warst du nicht die Memme, die anhub zu schnadern, als sie riefen: Der Feind kommt? Ich hab damals bei meiner Seel geflucht – fahr hin Meuchelmörder!“ (Er sticht ihn tot) (S.108)

Inhaltlich hat bei mir die damalige Vorstellung von Moral und Ehre den bleibensten Eindruck hinterlassen. Dabei haben mich vor allem die vorbildhaften und ehrenwerten Einstellungen der positiven Charaktere beeindruckt. Ein gutes Beispiel stellt Daniel dar, der auf Grund seiner moralischen Verpflichtungen gegenüber Gott und seinem Gewissen Franz’ Anliegen den Grafen zu ermorden nicht nachkommt: „Gnädiger Herr! ich bin heute einundsiebenzig Jahr alt, und hab Vater und Mutter geehret, und niemand meines Wissens um des Hellers Wert im Leben vervorteilt, und hab an meinem Glauben gehalten, treu und redlich und erwarte itzt ein ruhig seliges Ende, ach Herr,Herr! und ihr wollt mir den letzten Trost rauben im Sterben, daß der Wurm des Gewissens mich um mein letztes Gebet bringe, daß ich ein Greuel vor Gott und Menschen schlafen gehen soll?“ (S.96)
Auch dass Karl sich am Ende des Stückes ausliefert, um so seiner Meinung nach alles zum Guten zu wenden,s ist ehrenswert und vorbildhaft. Mit seiner freiwilligen Auslieferung kann er sogar noch einem Mann helfen: „Ich erinnere mich, einen armen Schelm gesprochen zu haben, als ich herüberkam, der im Taglohn arbeitet und eilf lebendige Kinder hat – Man hat tausend Louisdore geboten, wer den großen Räuber lebendig liefert – dem Mann kann geholfen weren.“ (Er geht ab.) (S.139) Mit dieser selbstlosen Tat Karls endet das Drama.

Anschließend möchte ich noch erwähnen, dass dieses Werk von Schiller sich nicht hauptsächlich auf die Handlung, sondern vor allem auf die Moralvorstellungen und die daraus resultierenden Konsequenzen konzentriert. Ohne diese Vorstellungen wäre ein solcher Verlauf der Handlung nicht möglich.